Makro-Objektiv im Selbstbau
Willkommen bei Dr. bardiir’s heiterer Ratestunde.
Hier mal ein lustiges Bild zum raten was es wohl ist…
Zu diesem Artikel gibt es inzwischen Fortsetzungen:
Makro-Objektiv im Selbstbau – Fortsetzung
Makro-Objektiv im Selbstbau – Das Ende?
Richtig, es ist ein Bild der Pixel auf einem iPhone, unbearbeitet, ungeschnitten, lediglich herunterskaliert fürs Netz. Und wer jetzt denkt vor meiner Kamera hing dabei ein 400€+ Makro-Objektiv, der irrt. Dieses Bild entstand mit einem Canon EF-S 18-55mm 1:3.5-5.6 II in der sogenannten Retro-Stellung.
Der Nachteil dieser Aufnahmemöglichkeit ist, dass die elektrische Verbindung zwischen Kamera und Objektiv getrennt ist wodurch die Blende immer voll geöffnet ist. (( Man kann die Blende auch durch einen Trick schließen indem man die Blende über den Knopf zur Tiefenschärfekontrolle gedrückt hält während man das Objektiv abnimmt und dann in Retro-Stellung montiert. Dann ist die Blende dauerhaft auf diesen Wert fixiert, dafür wird das Sucherbild entsprechend dunkel was für die manuelle Fokussierung echt ungut ist. )) Da mir jedoch das Budget fehlt um mir ein richtiges Makro-Objektiv zu kaufen – und noch einiges anderes höhere Priorität hätte – musste hier ein wenig Abhilfe her. Da kam das – dank der Anschaffung eines Canon 18-55mm 1:3.5-5.6 IS überflüssig gewordenen – Canon 18-55mm 1:3.5-5.6 II gerade recht um mal eine Abwechslung zur Programmierung an der LensDB zu haben
Der Autofokus funktioniert in der Retro-Stellung schonmal garnicht. Wer vor hat diese Anleitung nachzubauen sollte sich schonmal gedanklich darauf gefasst machen durch die Entfernung zum Objekt zu fokussieren. Die Schärfeebene ist vollkommen fix.
Die automatische Blendensteuerung hingegen kann durchaus funktionieren wenn man die elektrische Verbindung mit der Kamera ermöglicht.
Bauteileliste
1x Canon EF-S 18-55mm 3.5-5.6 II (( Vorsicht, die Bildstabilisierte Variante könnte funktionierten, dürfte aber problematisch werden, da in dem entfernten Teil des Bajonetts ein Teil der Elektronik für die Bildstabilisierung enthalten ist. Kauft euch lieber gebraucht ein unstabilisiertes Objektiv. ))
1x Retro-Adapterring (z.B. hier von Amazon: Retroadapter für Canon EOS)
1x 7-adriges Flachbandkabel ca. 10cm (z.B. ein Teil eines alten Floppy-Kabel)
— Ab hier nur, wenn man an der Front noch einen zusätzlichen Deckel anbringen will um die Elektronik und Linse zu schützen —
4x Schraube: M2 (ca. 2mm lang)
1x Objektiv Rückdeckel
1x UV-Filter-Glas 58mm (Aus einem UV-Filter das Glas ausbauen…)
Werkzeugliste
Gewindeschneider M2 (z.B. GARANT Gewindebohrer M2)
Schmiermittel für Gewindeschneider
(Stand-)Bohrmaschine
Bohrer ⌀1,6mm
Bohrer ⌀2mm
Schraubenzieher M1.5 – PH000 (z.B. Hama Mini Schraubendreher Set)
Schraubenzieher M2 – PH00 (z.B. Hama Mini Schraubendreher Set)
Verschiedene Metallfeilen + Feines Schleifpapier zum Abglätten von Kanten und Schnittflächen
Metallsäge oder Drehmel mit Trennscheibe
Kleber (am besten nen starken 2-Komponenten-Kleber)
Lötkolben/Lötzinn
Schraubstock
Kompressor/Blasebalg (es entstehen Staub + Späne, das muss gründlichst weg sonst hängts ganz schnell auf dem Sensor der Kamera)
Der Umbau
Ich habe leider nicht für alle Schritte entsprechende Bilder, da das Objektiv bereits praktisch vollständig umgebaut war als ich mich dazu entschlossen hab eine Anleitung zu schreiben. Sollte etwas unklar sein bitte einfach in den Kommentaren nachfragen, sollte jemand den Umbau durchführen freue ich mich natürlich über zusätzliche Bilder 🙂
Schritt 1 – Entfernen & Zuschneiden des Objektiv-Bajonetts
Als erstes muss das EF-Bajonett auf der Rückseite runter. Hierzu muss man mit einem PH00 die 4 Schrauben am Rand des Bajonetts entfernen und mit einem PH000 die 2 Schrauben, welche die elektrischen Kontaktflächen an ihrem Platz halten.
Nun kann man den Bajonettdeckel abnehmen. Im inneren des Objektivs befinden sich 1 oder 2 Ringe aus Plastik-Folie welche Löcher für die Schrauben haben. Diese unbedingt aufheben, kann man nacher sehr gut brauchen um die Bohrlöcher anzuzeichnen. Nachdem das ganze fertig ist sind diese jedoch ebenfalls ein Fall für den Müll.
Um den Mittelteil des Bajonetts findet sich ein grauer Gummiring. Diesen kann man mit einem flachen Schraubenzieher anheben und abziehen. In der somit freigelegten Kerbe schneiden wir seitlich rundherum mit der Metallsäge oder einer Trennscheibe um diesen mittleren Teil des Bajonetts zu entfernen.
Wenn man sauber einmal rundherum geschnitten hat, dann sollte man den mittleren Teil inklusive dem daran hängenden Lichtkanal herausnehmen können (=> Müll). Der übriggebleibene Ring kann jetzt mit Hilfe von Schleifpapier schön sauber begradigt werden und ist – soweit es den Umbau betrifft – fertig. Das Bild links zeigt, wie der Ring aussieht (allerdings schon einige Schritte weiter, mit montiertem Kabel und den elektrischen Kontakten für die Kamerakommunikation)
Schritt 2 – Retro-Adapters | Zuschneiden
Der Retro-Adapter muss nun ebenfalls ein Stück gekürzt werden. Als erstes muss jedoch mit einem PH000 die Schraube im Bajonett entfernt werden, da diese beim Schneiden stört. (( Wen die Schraube nicht stört der kann natürlich auch gerne voll durchsägen, benötigt wird die Schraube definitiv nicht mehr. )) Nun sägt man hier den Bajonettteil ab. Stehenbleiben sollten das 58mm Filtergewinde, der Aussenring sowie etwa 1mm höhe des Bajonett-Ringes. Diese Schnittkante kann man nun ebenfalls sauber abglätten.
Schritt 3 – Retro-Adapter | Gewinde bohren
Nun bohrt man in den Retro-Adapter 4 Löcher mit 1,6mm Durchmesser, welche den Löchern des Bajonetts entsprechen. Einfach mit etwas Isolierband die beiden Teile gut aufeinander befestigen und durch die Löcher des Bajonetts hindurchbohren. In diese Löcher schneidet man dann mit dem Gewindeschneider ein M2-Gewinde.
Schritt 4 – Retro-Adapter | Kabelführung feilen
An der Stelle, an welcher im verschraubten Zustand später der Kontaktflächen des Bajonetts sein werden feilen wir nun eine Kerbe in den Ring des Retro-Adapters welche etwa die Breite des Flachbandkabels hat.
Schritt 5 – Objektivplatine ausbauen
Die Platine des Objektivs wird von 2 kleinen Schrauben (PH000) gehalten. Vorher müssen jedoch die Flachbandkabel gelöst werden. Dazu vorsichtig! (( Ich hab das erste gleich mal abgerissen… 🙁 )) an den kleinen schwarzen Halterungen ziehen. Diese gleiten etwa 1mm aus dem weissen Gehäuse heraus und geben damit das Kabel frei welches dann herausgezogen werden kann. Die Kabel des Autofokus-Motors (rot + schwarz) kann man einfach mit einer Zange oder Schere durchtrennen (oder sauber ablöten). Der Autofokus wird später sowieso blockiert und der Motor nicht wieder angeschlossen.
Wenn man alles richtig gemacht hat, hat man nun die Platine in der Hand und das Objektiv sieht aus wie rechts auf dem Bild.
Schritt 6 – Lötarbeiten
Dieser Schritt ist mit einer der fummeligsten. Der Bajonett-Connector muss von der Platine abgelötet werden, von dem Flachbandkabel-Stück befreit werden und dann muss die Verbindung mit Hilfe des Flachbandkabels wieder hergestellt werden. Außerdem kann man den Connector auch gleich noch in dem Bajonettring wieder verschrauben, das macht die Lötarbeiten etwas einfacher, da der Ring dann den Connector etwas stabilisiert.
Für die Kabelführung siehe auch Schritt 11, bei dicken Kabeln müssen diese durch das Loch hindurch!
Schritt 7 – Retro-Adapter + Objektiv-Bajonett verschrauben
Nun kann man mit Hilfe von 4 kurzen M2 Schrauben (die Schrauben mit welchen das Bajonett festgeschraubt war funktionieren, müssen aber etwas gekürzt werden) der Bajonett-Ring und der Retro-Ring miteinander verschraubt werden. Hierbei unbedingt darauf achten, dass die Kabel durch den Führungsschlitz laufen damit diese Verbinung zumindest so halbwegs Staubdicht wird. Ich persönlich habe um die Kabel herum noch eine Hülse hinzugefügt um das ganze etwas sauberer aussehen zu lassen.
Schritt 8 – Fokus blockieren
Da man den (Auto-)Fokus nicht verwenden kann und der Spielraum des Fokus beim Zoomen in Retro-Stellung massiv stört, wird nun dieser Spielraum beseitigt indem der Fokus-Mechanismus einfach verklebt wird. Dazu reicht normaler Uhu-Alleskleber. Stärkeren kleber würde ich hier nicht empfehlen, da es durchaus vorkommen kann dass man sich einen Kleberfaden auf die Linse zuzieht oder man etwas trifft was nicht verklebt werden soll. Uhu ist in so einem Fall mit etwas rubbeln wieder abzubekommen oder durch Bewegen des betroffenen Teils kann die Klebewirkung zerstört werden. Nach etwa 24h ist auch Uhu hart genug um den Fokus vollständig lahmgelegt zu haben.
Schritt 9 – Reinigung
Jetzt sollte man sich etwas Zeit nehmen und wirklich alles gründlich von Staub und Spänen befreien welche noch irgendwo herumliegen/kleben. Vor allem die Frontlinse des Objektivs sollte nun ebenfalls gereinigt werden, da diese im nächsten Abschnitt verbaut und schwerer zugänglich wird.
Schritt 10 – Bajonett aufsetzen
Nun schraubt man das Gewinde des Retro-Adapters in die Filteraufnahme des Objektivs. Wir haben nun ein Objektiv, welches hinten offen ist, vorne auf der Frontlinse ein Bajonett hat an dessen Kabel eine Platine hängt. Perfekt.
Schritt 11 – Platine einsetzen
Die Platine kommt nun zurück an ihren angestammten Platz. Ich habe mich in meinem Aufbau dafür entschiedendie Kabel am Rand zwischen Platine und Gehäuse entlangzuführen um Kollisionen mit der Endlinse (jetzt Frontlinse) zu vermeiden.
Ausserdem müssen die Flachbandkabel wieder eingesteckt werden. Hierzu schiebt man die schwarze Halterung in das weisse Gehäuse herein, setzt das Kabel in halber Höhe in den Schlitz an, hält es fest und zieht den schwarzen Schlitten dabei heraus. Dadurch rutscht das Kabel schon fast von alleine in die Endposition. Man schiebt es bis zum Anschlag in die Halterung und schiebt den schwarzen Schlitten zurück in das Gehäuse. Das Kabel in die korrekte Position zu bekommen während der schwarze Schlitten herausgezogen ist, ist beinahe unmöglich.
Schritt 12 – Zeit für Probeaufnahmen
Das Objektiv ist jetzt technisch fertig. Man kann es an die Kamera ansetzen und Aufnahmen damit machen. Fokussiert wird über den Abstand zum Objektiv. Bei einer 400D liegt der Fokusabstand bei 55mm Brennweite (kleinster Vergrößerungsmaßstab) bei etwa 15cm und bei 18mm (größter Vergrößerungsmaßstab) bei etwa 4cm vor der Frontlinse. Der AF/MF-Schalter muss auf MF stehen, da die Kamera sonst blockiert und keine Bilder macht weil kein Fokuspunkt gefunden wird und der Autofokus-Motor auch nicht wirklich angeschlossen ist.
Alle Betriebsmodi (inklusive Tv) funktionieren mit einem auf diese Art umgebauten Objektiv.
Schritt 13 – Frontabdeckung
Die Frontabdeckung ist relativ einfach. Man bohrt in einen Objektivrückdeckel ein Loch und feilt dann den kompletten vertieften Bereich auf dem normalerweise Canon steht heraus. (Ergebnis: Deckel mit Loch)
Dann bohrt man am Rand im passenden Abstand Löcher für 4 Schrauben welche in die Löcher auf der Vorderseite des Objektivs (vorher wars mal die Rückseite) greifen. Hierzu kann man die Plastik-Folien-Ringe benutzen welche im Objektiv waren um exakt passende Bohrungen zu bekommen. (Ergebnis: Deckel mit Loch und Schraubenlöchern)
Dann klebt man die UV-Filterscheibe mit 2-Komponenten-Kleber auf die Front des Deckels, lässt das ganze Trocknen und schraubt es am Objektiv fest.
Schritt 14 – Fertig
Das Objektiv ist jetzt soweit fertig und kann in Einsatz gehen.
Schritt 15 – Bilder machen
Bei unter 35mm Brennweite (mit Frontdeckel) oder 24mm Brennweite (ohne Frontdeckel) benötigt man definitiv einen externen Blitz, da das Objektiv einen Schatten ins Bild wirft und den Blitz der Kamera blockiert. Optimal funktioniert hier natürlich entfesseltes Blitzen mit Licht von der Seite oder ein Ringblitz.
Man beachte bei den Beispielbildern, dass bei 55mm der kleinste Vergrößerungsmaßstab und bei 18mm der größte Vergrößerungsmaßstab erreicht wird. Praktisch umgekehrt zu einem normalen Objektiv. Bei 18mm erscheint die mattierte Alu-Oberfläche der MacPro-Front wie eine Kraterlandschaft. Bei ISO800 ist dort allerdings das rauschen der 400D schon unschön und ohne externen Blitz ists leider nicht besser machbar. Aber irgendwann hab ich mit Sicherheit auch mal nen externen oder ich bau mit einen 🙂
Die Bildqualität ist für ein Objektiv mit Gesamtkosten von etwas über 50-60€ doch durchaus brauchbar :love:
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